Rückblick
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Auch bei Wind und Wetter – beim Immenklang vom 31. Juli bis 5. August 2023 musste zwar einiges kurzfristig umgeplant oder zusätzlicher Regenschutz besorgt werden – an der Entdeckungsfreude am Musizieren, Malen, Klänge suchen und Hören änderte dies aber nichts.
Insgesamt 13 Künstler:innen aus verschiedenen Sparten kamen in Immenhausen zusammen um gemeinsam eine Woche voller Musik, Malerei, Klang- und Lichtkunst zu veranstalten. Dabei wurde ein zentraler Gedanke dieses Festivals, dass wir Menschen motivieren möchten, in den künstlerischen Austausch miteinander zu gehen, weiter gedacht. Neben öffentlichen Proben der Musiker:innen, täglichen Mittagskonzerten und drei verschiedenen abendfüllenden Konzerten, gab es auch einen Mal-Workshop (Farbenklang) sowie einen Workshop zu experimentellen Klanginstallationen (Wiesenklang).
Farbenklang
Bei unseren täglichen Proben im Gemeindehaus waren die Fenster zum Innenhof weit geöffnet, sodass die Musik und unsere Probenarbeit auf dem Kirchenvorplatz mitverfolgt werden konnte. Auch war es möglich, sich zu uns in den Probensaal zu setzen. Draußen standen eine große Staffelei für ein Gemeinschaftswerk sowie mehrere kleinere Staffeleien, Zeichenblöcke, Acrylfarben, Pinsel und Kohle zur Verfügung und luden ein, sich kreativ auszuprobieren. Christiane Haag, Künstlerin aus Mähringen, stand mit ihrem Wissen und ihren Ideen bereit, regte an und begleitete die verschiedenen künstlerischen Prozesse. Ebenso unterstütze Frank Köhler, Maler aus Immenhausen, einige Teilnehmer:innen während dieser Woche.
Man konnte sich im Vorfeld zu diesem Workshop anmelden, ebenso war es aber auch möglich, spontan dazuzustoßen oder auch einfach eine Weile der Musik zu lauschen und den Malenden zuzuschauen.
Es war ein wunderbarer Ort des Austausches, sowohl bei den Malprozessen selbst, als auch zwischen Musiker:innen und Malenden. Durch die Fenster und natürlich in den Pausen konnten die Musiker:innen sehen, was zur jeweiligen Musik entstanden war und reflektierten so auch die geprobte Musik noch einmal auf eine andere Weise. Entstanden sind wundervolle, vielfältige und eindrückliche Kunstwerke, die bei den letzten beiden Konzerten ausgestellt wurden. Wir sind sehr glücklich, dass dieses zum ersten Mal ausprobierte Angebot so gut aufgenommen wurde und Menschen aus allen Generationen aus dem Ort, sowie aus der Region zusammen kamen.
Wir wollen den Farbenklang gerne auch im nächsten Jahr fortführen.
Wiesenklang
Die ursprüngliche Idee war, eine Streuobstwiese am Rande des Dorfes mit Klanginstallationen zu bespielen, die während der Woche in der Offenen Werkstatt gemeinsam mit Jasper Seibert (SoundArt/ elektroakustische Komposition) entstehen konnten. Da die Wetterumstände dies leider gar nicht zuließen, wurde umdisponiert. Das Werkstattzelt, nur wenige Meter von Farbenklang entfernt, wurde natürlich trotzdem eingerichtet und für interessierte und experimentierfreudige Menschen mit oder ohne Vorkenntnisse geöffnet. Jasper unterstützte von morgens bis abends bei den unterschiedlichsten Ideen und Vorhaben, sei es das Einfangen von Umgebungsgeräuschen mit einem Kontaktmikrofon oder die Klangerforschung und Bearbeitung verschiedener Materialien. Es entstanden sehr interessante Installationen die dann am letzten Abend der Woche in der großen Maschinenhalle im Rahmen des Abschlusskonzerts ausgestellt wurden. Wir sind gespannt, welche Klänge uns im nächsten Jahr erwarten!
Musikalische Kostproben
Jeden Nachmittag um 15 Uhr luden wir wie jedes Jahr zur Musikalischen Kostprobe in die St. Georgskirche ein, wo man eine kleine Kostprobe unserer bisherigen Probenarbeit hören konnte. Diese Konzerte hatten den Reiz, dass man über die Woche den Prozess miterleben konnte, wie sich die 9 Musiker:innen aufeinander einspielten. Nie länger als 20 Minuten und jedes Mal etwas anderes – dies lockte auch die jüngsten Zuhörer:innen zum Immenklang.
Danach ging es draußen direkt mit den öffentlichen Proben und Workshops auf beiden Seiten des Gartens weiter.
Konzertabende
Goldberg und Schmetterlinge?
Das erste abendfüllende Konzert am 3. August in der Stephanskirche Mähringen war sehr anspruchsvoll für uns, sowohl musikalisch als auch in der installativen Vorbereitung. Die Goldberg-Variationen von Johann Sebastian Bach erklangen an diesem Abend in einer Bearbeitung für Streichtrio, aufgeführt von Eva und Jakob Schall sowie Pietro Montemagni. Durchbrochen wurde dieses 90 minütige Werk von immer wieder kehrenden, leisen, abstrakten, sich steigernden Improvisationen der anderen Musiker:innen. Diese verschmolzen mit der Lichtinstallation des Künstlers Aaron Kimmig, dessen Skulptur wie ein Kokon in der Mitte des Raumes leuchtete und die Herzschläge der Musiker:innen in sich abbildete und weiterverarbeitete.
Im vorderen Teil des Kirchenschiffs wurde vorab eine Kunstinstallation aufgehängt. Um die Lichtskulptur herum schwebten 100 Insekten aus Papier in der Luft, nur an durchsichtigen Fäden befestigt. Einige davon wurden während der Improvisationen durchtrennt, sodass die meisten Insekten zu Boden fielen und am Ende des Konzerts noch 23 im Raum hingen. Diese Installation beruft sich auf die Krefeldstudie, die ein dramatisches Insektensterben in Deutschland in den letzten 30 Jahren nachweist.
Für die Krefeldstudie wurden zwischen 1989 und 2016 an insgesamt 63 Standorten in Naturschutzgebieten in Deutschland Insekten gefangen und die Biomasse der Proben bestimmt. Das Gesamtgewicht dieser flugaktiven Insekten nahm über den Untersuchungszeitraum von 27 Jahren um 76,7 % ab. Im Hochsommer lag der Rückgang durchschnittlich sogar bei 81,6%.
Um den Rückgang zu begründen, werteten Wissenschaftler zusätzliche Daten zur Landschaft um die Fallen sowie Klimadaten aus, konnten damit den dramatischen Rückgang aber nicht eindeutig erklären. Die Krefeldstudie ist die erste Studie, in der das „Insektensterben“ über einen so langen Zeitraum mit gleichbleibender Methode untersucht wurde.
Farbenklang mit Schubert
Bei diesem Konzert am 4. August in der Stephanskirche Mähringen stand eines der berühmtesten Kammermusikwerke im Mittelpunkt des Abends. Schuberts Streichquintett in C- Dur wurde von Eva Schall, Hannah Wagner, Jonathan Kliegel, Karolin Spegg und Jakob Schall interpretiert. Vor und nach der Musik konnte man die ausgestellten Bilder der Workshop-Teilnehmer:innen von Farbenklang ansehen. Diese Werke, welche während unserer Schubert-Proben entstanden, waren von Christiane Haag kunstvoll im Raum platziert worden.
Alle kommen zusammen
Die letzte Veranstaltung dieser Festivalwoche war eigentlich als Open Air geplant und hätte unter diesen verregneten Wetterumständen abgesagt werden müssen. Glücklicherweise durften wir diesen Abend in der Maschinenhalle des Lohnunternehmens Hespeler veranstalten und blieben alle trocken.
Bei der Halle angekommen, konnte das Publikum zunächst einen Einblick in die Arbeit der Workshops bekommen – alle entstanden Kunstwerke durften gemeinsam ausgestellt werden. Anschließend erklang das eher selten aufgeführte Streichoktett von George Enescu. Begleitet wurde diese Musik vom Duft von frischem Stroh und dem leichten Rauschen des Regens.
Der Abend lud zum Revue passieren der Woche ein und brachte viele unterschiedliche Menschen zusammen.
Wir danken allen, die sich mit so viel Energie für diese Woche eingebracht haben und dieses Festival möglich machen. Auch war die Zusammenarbeit mit der Initiative „Miteinander Essen“ eine große Freude für uns.
Alle Workshops und Konzerte waren kostenfrei und auf Spendenbasis. Wir danken allen privaten Spender:innen, der Ortsgemeinde Immenhausen, der Kirchengemeinde Mähringen-Immenhausen, der Sparkasse Tübingen und der Christel-Guthörle-Stiftung.